Über das große ẞ
Teil 1: Meine Kartensignaturen
Teil 2: Meine Wegemarkensammlung
Teil 3: Kartensignaturen in SVG definieren
Teil 4: Hintergrund
Straßenschilder
Das Trekkingpfad-Zeichen
Über das große ẞ (Diese Seite)
Terrainkurwege Kurort Rathen
Das ẞ ist da
Ein kleines Experiment
- Ein Word-Dokument anlegen und <Shift> <AltGr> ß eingeben (also Umschalttaste, AltGr-Taste und ß-Taste zugleich drücken).
- Oder <Alt> 7 8 3 8 auf dem Ziffernblock eintippen.
Es erscheint das Zeichen ẞ. Das große Eszett ist da. Unser Alphabet hat nun, wenn man Ä, Ö, Ü und ẞ mitrechnet, 30 Buchstaben. Und die gibt es alle in Groß- und Kleinbuchstabenform.
Ein kleiner Schritt auf einem Computer, aber ein großer Schritt für alle, die mit Schrift zu tun haben
Dabei ist das eine Geschichte, die über hundert Jahre gebraucht hat ...
- 1905: Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts gab es erste Bleischriften mit großen ẞ-Lettern.
- 1960: Weitere Bemühungen gab es von Setzern in den Leipziger Druckereien in den 1960er Jahren.
- 1966: Als ich ein kleiner Junge war, bekam ich das Buch „Kleine Enzyklopädie Natur“ geschenkt, in dem das große ẞ benutzt wurde. Da gab es das Kapitel „MAẞEINHEITEN“, und bereits damals habe ich mich mit dem großen ẞ ein wenig angefreundet.
- 1990 habe ich dann mein erstes ẞ gezeichnet: um den „BLOẞSTOCK“ im Kartentitel „Schrammsteine-Affensteine“ zu beschriften. Dieses allererste Versal-Eszett sah zunächst noch etwas holprig aus. Aber kurz darauf erhielten der „GROẞE ZSCHAND“ und das „GROẞE SPITZE HORN“ im Kartentitel „Großer Zschand“ ein bereits einigermaßen durchgestaltetes ẞ-Zeichen.
- 2004 hat der Leipziger Typograph Andreas Stötzner erstmalig das große ẞ beim Unicode-Konsortium beantragt. Beim ersten Mal ging das noch nicht durch.
- 2008 folgte Stötzners zweiter Antrag, nachdem er an Imbißständen und auf Grabsteinen ẞ-Nachweise gesammelt hat um zu beweisen, dass dieses Ding tatsächlich in Gebrauch war. Handschrift und Steinmetze. Ein Computer-ẞ gab es ja noch nicht. Diesmal wurde dem Antrag stattgegeben. Das ẞ erhielt den Unicode-Codeplatz 7838. Damit gab es eine hypothetische Zeichenposition.
- Die musste „mit einer Glyphe“ gefüllt werden. Heute schreibt und liest man das ẞ bereits halbwegs selbstverständlich weg. Seinerzeit mussten sich aber erstmal die Typographen Gedanken machen, wie ein solchen Zeichen überhaupt aussehen könnte. Es musste eine Zeichenform gefunden werden, die weder mit Groß-B noch mit Klein-ß kollidierte, zudem sollte das Zeichen nicht zu exotisch aussehen und sich harmonisch in die Großbuchstabenreihe einfügen. Letztendlich hat sich eine Form durchgesetzt, die auf einen Gestalter „Mellhuth“ von Typoart Dresden aus den 1960er Jahren zurückging. Diese Mellhutsche oder Dresdener Form wurde, ebenfalls von Stötzner, umfassend getestet, empfohlen und publiziert.
- 2009: Zahlreiche Typographen nahmen die Herausforderung an. Bald standen einige erste Schriften mit ẞ im Netz. Und man konnte sich erstmals eine Schrift mit einem ẞ herunterladen. Es war für mich ein bedeutsamer Moment, als ich erstmalig mit einem Textverarbeitungsprogramm ein ẞ an meinem Monitor hervorzaubern konnte.
- Dann ist noch eins passiert. Microsoft hat das ẞ in den Tastaturtreiber und die Brotschriften von Windows 7 eingebaut. Damit wurde das ẞ auf jedem Computer verfügbar.
- Im Jahr 2016 wurde es durch den Rat für deutsche Rechtschreibung in den Duden aufgenommen.
Die ẞ-Taste, die ẞ-Form, das ẞ-Zeichen, die ẞ-Regel ...
Und bald wird kein Mensch mehr daran denken, was das einmal für Umstände waren, mit den MASZEINHEITEN, PAßSTRAßEN und GOSSDÖRFERN.
Und für mein nächstes Auto beantrage ich schonmal das Kfz.-Kennzeichen PIR ẞ1
Mehr ist dazu eingentlich nicht mehr zu sagen. Dennoch lass ich hier paar Bilder aus vergangenen Jahrzehnten stehen – sozusagen schon historisch.
1991. Bereits auf meinen ersten Karten hatte ich ein selbstgestaltetes Versal-Eszett mit der Atofeder gezeichnet.
Das ẞ in „GROẞER ZSCHAND“ (Großer Zschand 1:10000, 1. Auflage 1991).
Hier das „Große Spitze Horn“ in der alten Form, die Lang-s und Fraktur-z adaptierte (Großer Zschand, 1. Auflage 1991).
2006. Angeregt durch die Typographen Ingo Preuß, Andreas Seidel und Andreas Stötzner habe ich Entwurfsversuche mit der sog. Mellhuthschen oder Dresdener Form des großen SZ angestellt:
Entwurfsskizze (nach Mellhuth/Stötzner, aber mit gegenphasigem - federgerechterem - Rhythmus, ähnlich dem ẞ in Andreas Seidels Schrift Toshna)
Umstellung auf Mellhuthsche Form Dresdener Form (Großer Zschand 1:10000, 3. Aufl. 2009)
Großes Spitzes Horn nach Mellhuth (Großer Zschand 1:10000, 3. Auflage 2009)
Eines meiner schönsten ẞ – Weißbachtal (Zittauer Gebirge · Östlicher Teil 1:10000, 2. Auflage 2006)
Roßmäßlerbau (Stadtplan Tharandt)
Die Wasserscheide der Weißeritz (Stadtplan Tharandt)
Meißen (Panoramakarte Die Elbe, 1. Auflage 2010)
... der ältesten und größten Raddampferflotte der Welt (Panoramakarte Die Elbe, 1. Auflage 2010)
Ein frühes ẞ aus einer Liegenschaftskarte des Staatlichen Vermessungsamtes Pirna, etwa aus dem Jahr 2005. Unabhängig von Stötzner hat hier ein Softwareentwickler die Verwechslungsgefahr Versal-SZ mit Versal-B erkannt und gestalterisch behandelt. Auch dieses ẞ zeigt, was die Schaffung eines großen ẞ einmal für eine Entwurfsarbeit gewesen ist.
27.02.2017 (Durchsicht)
09.02.2019 (Das ẞ steht im Duden)