Der Höhenanschluss
Zunächst braucht man eine präzise geodätische Höhe, am besten die Höhenlage des Marktplatzes. Die HN-Höhe des Bad Schandauer Marktplatzes wird sehr gut durch einen kleinen Eisennagel im Pflaster 3 m neben dem Fußgängerüberweg schräg gegenüber der Bäckerei Schurz definiert. Er hat die Höhe 121,695 m über HN. Ein Höhenanschluss zu dem am Hotel zur Krone befindlichen Höhenbolzen (122,476 m HN) bestätigt, dass die Höhe stimmt.
Wie hoch stand das Wasser in der Kirche?
Als Anschlusspunkt wurde die oberste Stufe hinter dem Hauptportal eingemessen mit 122,502 m über HN. Der Wasserspiegel in der Kirche hat sich an mehreren Stellen im Westschiff millimetergenau abgezeichnet. Messwert 125,976 m über HN. Die Höhe des Kirchenfußbodens im Westschiff ergab aus mehreren Messungen(122,515/,507/,512/,513) im Mittel 122,512 m über HN. Somit ergibt sich die Wasserspiegelhöhe in der Kirche über Fußboden mit 3,46 Meter
Wie hoch stand das Wasser überhaupt?
Eingemessen wurde der Hochwasserspiegel an der Bäckerei Schurz mit 125,973 m über HN, am Pfarrhaus mit 125,997 m. Abzüglich Markthöhe ergibt sich, dass das Wasser 4,28 Meter hoch auf dem Markt gestanden hat. Die größte erreichte Wassertiefe im bebauten Innenstadtgebeit von Bad Schandau wurde am Lindenhofplatz mit 4,58 m (Haus Trede) und 4,40 m (Haus Kagerer) – Wasserhöhe über Grund – festgestellt.
Wie hoch stand die Elbe über normal?
Hierfür brauchen wir zunächst die Meereshöhe des Nullpunktes des Bad Schandauer Elbpegels. Der Bad Schandauer Elbpegel befindet sich am Westende des Elbkais. Die Höhe ...
... ist mit 114,080 m angeschrieben.
Aber Achtung: Dies ist eine NN-Höhe („Geoidhöhe“), alle anderen Angaben sind HN-Höhen („Quasigeoidhöhen“). Die praktische (nicht ganz vermessungsprofessorfeste) Faustregel NN=HN+0,128 erwies sich als durchaus brauchbar. Eine trigonometrische Höhenübertragung vom Markt ergab 114,077 m NN, Fehler also nur 3 mm.
Nun muss ermittelt werden, was eigentlich ein „normaler“ Wasserstand der Elbe ist. Das Mittelwasser des Bad Schandauer Elbpegels ist, wie das WSA Dresden freundlicherweise mitteilte, 1995 mit 2,10 m ermittelt worden. Wir rechnen 114,077-0,128+2,100=116,049. Somit entspricht der Mittelwasserstand einer Wasserspiegelhöhe von 116,050 Meter über HN am Pegel.
Zu beachten ist allerdings auch, dass der Elbspiegel nicht genau waagerecht ist, sondern ein Gefälle aufweist, das wir ...
... mit etwa 0,3 Promille ansetzen. Weil sich der Pegel etwa 500 m stromab des Marktes befindet, müssen also noch 15 cm Korrektur angesetzt werden.
Mit 125,98 m stand das Wasser in der Kirche 9,93 m über Mittelwasser. Abzüglich 15 cm ergibt sich, dass das Hochwasser in Bad Schandau 9,78 über Mittelwasser gestanden hat.
Wie fällt der Vergleich mit dem Hochwasser von 1845 aus?
In der Innenstadt gibt es zwei Hochwasservermarkungen, einmal in der Kirche und einmal am Haus Wahode in der Bergmannstraße. Vergleichsmessungen ergaben, dass beide Marken bis auf etwa ± 1 cm übereinstimmen. Am 10. November 2003 wurde eine entsprechende Marke in der Kirche nach der sichtbaren Wasserspur angebracht. Hier ist klar erkennbar, dass das Hochwasser 1845 4 cm höher als 2002 gestanden hat.Allerdings variiert die Differenz 1845 - 2002 entlang der Elbe. Hier einige Angaben des Wasser- und Schifffahrtsamtes (WSA) Dresden:
• Wasserstand in Höhe Werft Postelwitz: 2002 4 cm über 1845
• Wasserstand in Höhe Parkhotel: Gleicher Stand 2002 und 1845
• Wasserstand in Höhe Kirche: 4 cm unter 1845 (bestätigt unsere Messung)
• Wasserstand in Höhe Nationalparkverwaltung: 2002 6 cm unter 1845
Nachtrag 2005
Weder die Kirchmarken, noch die „Wahodemarken“ sind Originalmarken aus dem Jahr 1845. Dessenungeachtet gab es aber bis 2005 eine originale Hochwassermarke von 1845, nämlich auf der Innenhofseite des alten Forsthausgebäudes am Marktplatz, wie mir freundlicherweise Frau Höne mitgeteilt hat. Dieses Haus wurde nun allerdings 2005 im Rahmen der Neuerrichtung des Hotelkomplexes Elbresidenz abgebrochen. Das die Elbresidenz absteckende Vermessungsbüro hatte die Höhe aber vor dem Abbruch noch einmal eingemessen und 125,963 m über HN ermittelt.
Am 27.11.2004 habe ich eine eigene Einmessung vorgenommen und diese Marke mit 125.994 m über HN bestimmt *).
Damit können wir aus anderer Sicht die 1845er/2002er Wasserstände vergleichen. Zunächst ziehen wir von der 2002er Wasserspiegelhöhe in der Kirche (125,976 m) wieder 0,3 Promillem (0.030 m) Elbgefälle ab – denn das Forsthaus liegt ja ca. 100 m stromab: 125,976-0,030=125,946. Der 2002er Hochwasserspiegel lag am Forsthaus also bei 125,946 m.
Somit ergeben sich folgende Differenzen:
- Vermessungsbüro: 125,963-125.946 ... Hochwasser 2002 17 mm unter 1845
- Vermessung Böhm: 125,994-125.946 ... Hochwasser 2002 48 mm unter 1845
- Mittelwert: 125,977-125.946 ... Hochwasser 2002 31 mm unter 1845
Nachtrag 2013
Der Elbpegel am Westende des Elbkais ist inzwischen demontiert worden. Das ist ein wenig schade. (10.02.2013)
Im Gegensatz zum den Fluten, die am 12./13. August 2002 vom
Erzgebirskamm herunterstürzten, hatte das Elbehochwasser einen
ganz anderen Charakter. Es war eine unheimlich große, trügerisch
friedliche Wassermasse, die vier Tage lang völlig unaufhaltsam
immer weiter anstieg, kaum etwas mitriss, aber alles ersäufte.
Es sind vielfach Vermutungen von Wasserspiegelschwankungen durch Wellen oder
Strömungen im Dezimeterbereich geäußert worden. Für diese ergaben
die Messungen keine Anhaltspunkte. In erster Näherung kann vermutet
werden, dass das Wasser nur beeinflusst von dem etwa 0,3 Promille
betragenden topographischem Gefälle abfloss und sich ansonsten
lokal fast im hydrostatischen Gleichgewicht befand.
Die innere Genauigkeit der Messungen wurde mit etwa ±10 mm festgestellt,
im Bereich Markt Kirche noch darunter.
Probe: Im Eingangsbereich der Toskana-Therme ist an der dortigen Hochwassermarke
der Wert 126,07 m angeschieben. Wir ziehen 8 cm ab, weil sich die Toskana-Therme etwa 250 m
stromauf befindet und erhalten 125,99. Unser Messwert vom Markt war 125,997 (Pfarrhaus) und
129,973 (Bäckerei Schurz). Macht einen Fehler von +7 bzw. -17 mm.
Ich bedanke mich bei Frau Gräfling, Herrn Rothe,
Herrn Ludolf (WSA Dresden),
Frau Mitzschke (Umweltamt Dresden), Herrn Wahode, Bad Schandau,
Mike Müller, Dresden und Ulf Roitzsch, Sebnitz für
ihre Mitarbeit und die zur Verfügung gestellten Informationen.
*) Die zwischen Böhm und dem Planungsbüro liegenden 31 mm Unterschied sind für eine
Vermessung sehr viel, vielleicht lag der Höhenanschluss (den ich von dem Marktbolzen abgenommen habe)
etwas unterschiedlich?