Wegekonzept Nationalpark Schwarzwald

Das kalte Herz

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5. Wege, Wanderwege, markierte Wanderwege

Wege-Totalkahlschlag? Ist das nicht eine Übertreibung? Stimmt doch alles nicht. Das Umweltministerium hat doch ausdrücklich zugesichert: „Das Wanderwegenetz im Schutzgebiet soll erhalten bleiben“ (https://beteiligungsportal.baden-wuerttemberg.de/de/kommentieren/lp-15/nationalparkgesetz/stellungnahme-des-ministeriums/, 31.01.2017.) Na also. Da hatten wir es seinerzeit schwarz auf weiß. Keine Panik. Das Wegenetz bleibt erhalten.

Moment mal, aufpassen. Das steht nicht „das Wegenetz bleibt erhalten.“ Da steht: „Das Wanderwegenetz bleibt erhalten.“ Selbstverständlich benutzen Wanderer alle Wege eines Wandergebietes. Damit sind alle Wege, die es gibt, zugleich Wanderwege. Diese bilden in ihrer Gesamtheit das Wegenetz, oder synonym das Wanderwegenetz.

Davon zu unterscheiden sind markierte Wanderwege. Dies sind Wege, die die Gebirgsvereine mit Wegemarken (z. B.       ) versehen haben, damit sich der Wanderer orientieren kann. Das bedeutet nun aber nicht, das er auf den anderen Wegen etwa nicht wandern dürfte. Wir untersetzen dies etwas, indem wir (illustrierend) den typischen Fall annehmen, dass in einem Gebiet z. B. 25 % aller Wanderwege markiert sind. Die restlichen 75 % sind „nichtmarkierte Wanderwege“. Nichtmarkierte Wege stehen selbstverständlich den Wandernden ungehindert offen.

Als im Nationalpark Sächsische Schweiz um 1998 erste Sperrängste umgingen, wurden diese von der Nationalparkverwaltung umgehend dementiert: Der Wanderer hätte auf den Wanderwegen keinerlei Einschränkungen zu befürchten. Also ähnlich, wie jetzt jetzt in Baden-Württemberg. Und alle waren froh und zufrieden.

Nun ist ja weder „Weg“ noch „Wanderweg“ eine klar definierte oder gar geschützte Bezeichnung. Sich darüber umfassend Gedanken zu machen, ist ja auch nicht erforderlich – wenn man nicht gerade Nationalpark wird. Freilich galt plötzlich eine etwas andere Auffassung der Nationalparkverwaltung. Nämlich dass ab sofort nur noch die markierten Wanderwege als Wanderwege anzusehen seien. Die nichtmarkierten Wanderwege fanden sich lediglich unter „Wege“ rubriziert wieder, und waren als solche eines nun nicht mehr: Wanderwege. Und für derartige – nicht dem Wandern zuzuordnende – Wege galt die gegebene Zusicherung des Unterbleibens von Einschränkungen selbstverständlich keinesfalls.

Ja, was das denn dann für Wege seien, wenn es denn keine Wanderwege mehr seien, haben wir Wanderer dann einigermaßen entsetzt gefragt. Hm, äh, naja, eben irgendwie Nicht-Wanderwege. Rückeschneisen, Holzabfuhrwege, Forststraßen, Wildwechsel, Steige, Stiegen, Pfade, irgendwie sowas. Eines ganz klar: keine Wanderwege. Somit waren 75 % der Wanderwege plötzlich zu ex Wanderwegen geworden. Logische Folge: Deren Bewandern galt ab sofort (in der Nationalpark-Kernzone) als – tierisch verboten. Was denn die Wanderer da auch verloren hätten? Auf einem Weg, der kein Wanderweg sei.

Missverständnis? Kleine Definitions-Unstimmigkeit? Ein Schalk, der vermutet, dass diese geringfügige Auffassungs-Abweichung durchaus beabsichtigt war. Denn unsere Nationalparkverwaltung hat Wort gehalten: Kein einziger [markierter] Wanderweg ist gesperrt worden. Nicht einer. Keinerlei Einschränkung. Nur, eben, die 75 % nichtmarkierte Wege gelten seitdem als verboten. Gebietsweise sind da von einstmals vielleicht 50 Wegen nur noch drei übriggeblieben. Das Wegenetz hat die Schwindsucht bekommen. Es ist nun krank. In der wegemedizinischen Literatur gibt es für diese Wegekrankheit sogar eine besondere Bezeichnung: Totalitaritis devastico.

Ich bin mir sicher: Das Umweltministerium des Landes Baden-Württemberg wird ebenso, wie seinerzeit unsere Nationalparkverwaltung Wort halten. „Das Wanderwegenetz im Schutzgebiet soll erhalten bleiben.“ Selbstverständlich.

Bei so rechtlich bedeutsamen Sachen ist es immer wichtig, genau auf die feinen Unterschiede zu achten.

 

Apropos rechtlich bedeutsam: Damit gelangen wir geradezu in das nächste Kapitel hinein ...


28.01.2017 Initial
31.01.2017 Seite (ex 4) in 2 Seiten aufgeteilt
25.11.2018 Link Nationalparkverwaltung nicht mehr erreichbar
15.08.2019 Durchsicht, „responsiviert“

 

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