Kartenprojektionen - Bernhard Jennys Flex Projector

Mit der wachsenden Anzahl bekannter Kartennetze wird es immer schwieriger, deren Komplexität einigermaßen zu beherrschen. Es stellt sich die Frage nach einem allgemeinen Verfahren, mit dem eine möglichst große Anzahl von Kartennetzen hergestellt werden kann. Bernhard Jennys Flex Projector ist eine interessante Antwort auf diese Frage.

Was verbirgt sich hinter dem Flex Projector? — Kartenprojektionen werden gewöhnlich mit einer Formel berechnet. Das trifft im Prinzip auch für die ab 1961 von Arthur H. Robinson entwickelte Robinson-Projektion zu – aber eben nur im Prinzip. Robinson rechnet nicht mit einem expliziten Formel, die z. B. Winkelfunktionen nutzt – sondern mit tabellierten Zahlenwerten. Je eine RX- und eine RY-Koeffiziententabelle verzeichnet Stützstellen im Abstand von 5°. Über diese Stützstellen werden Funktionen interpoliert. Mit diesen wird letztendlich eine Abbildungsfunktion modelliert.

Der Schweizer Kartograph Bernhard Jenny (ETH Zürich) hat – angeregt durch den Amerikaner Tom Patterson (U. S. National Park Service) – dieses Prinzip weiterentwickelt. Sein auf der Seite www.flexprojector.com vorgestelltes Verfahren gestattet nun nicht nur das Rechnen mit den festen „Robinson-Koeffizienten“, sondern mit weitgehend beliebigen Werten. Auch hat er den beiden Robinsonschen Reihen RX („Length“) und RY („Distance“) zwei weitere Reihen RB („Bending“) und RM („Meridian Distribution“), sowie einige weitere Variablen hinzugefügt.

So lassen sich sehr viele Projektionen herstellen. Es ist verblüffend, wie genau sich bekannte Kartennetzentwürfe mit dem Flex Projector approximiieren lassen. Es muss aber gar nicht unbedingt ein bekanntes Netz sein. Jenny und Patterson nutzen den Flex Projector auch für Neuentwicklungen ...

Neuentwickelte Flexprojektionen

A4 Projection

A4 Projection im Großformat (1:200.000.000 bei 254 dpi, 700 kByte)

Jennys A4 ist eine Netz-Neuentwicklung, die ihren Namen dem günstig auf ein Blatt A4 skalierbaren Kartenformat verdankt.

Natural Earth Projection

Flexprojection Natural Earth im Großformat (1:200.000.000 bei 254 dpi, 700 kByte)

In der Natural Earth hat Tom Patterson eine Reihe wunderbarer naturnaher Landschaftskarten der Erde berechnet.


Approximationen bekannter Netzentwürfe mit dem Flex Projector

Je nachdem, wie gut das Interpolationsverfahren die originale Formel anzunähern in der Lage ist, nähern sich die Flexprojektion und Originalabbildung mehr oder weniger gut an.

Aïtoff (Flex Projection)

Passt recht gut

Boggs Eumorphic (F. P.)

Passt recht gut ...

und ergibt darüberhinaus exakt das Andersonsche Längen-Breiten-Verhältnis von 1:2. Fast glaube ich, dass meine Originalrechnung einen Fehler hat. (Evendens Formel nutzt Sekansfunktionen, was hinterfragbar ist. Ich habe diese in Cosinüsse umgeformt, tja ... ob da so im Detail wirklich der originale Boggs rausgekommen ist? Ich schlage nach, finde aber in dem Handexemplar meines Diophant- - äh - Evenden-Manuskriptes nur eine sehr dünne Bleistift-Notiz ...)

Cylindrical Equal-area (Flächentreuer Zylinderentwurf) (F. P.)

Passt fast pixelgenau

Cylindrical Equidistant (Abstandstreuer Zylinderentwurf oder quadratische Plattkarte) (F. P.)

Passt fast pixelgenau

Denoyer (Semi Elliptical) (F. P.)

Grob übereinstimmend

Eckert-Greiffendorf (F. P.)

Passt recht gut

Eckert I (F. P.)

Passt pixelgenau

Eckert III (F. P.)

Bis Breite 85° pixelgenau, darüber etwas eckig

Eckert IV (F. P.)

Passt fast pixelgenau

Eckert V (F. P.)

Passt pixelgenau

Fahey (F. P.)

Passt fast pixelgenau

Foucault (F. P.)

Grob übereinstimmend

Foucault Sinusoidal mit n = 0,5 (F. P.)

Passt pixelgenau

Der Foucaut Sinusoidal enthält einen Parameter n, der den Entwurf zwischen einem flächentreuen Zylinderentwurf und einem Mercator-Sanson variiert. Jenny rechnet mit einem n-Wert von 0,5.

Gall Stereographic (Galls stereographische Zylinderprojektion) (F. P.)

Passt pixelgenau

Ginsburg VIII (F. P.)

Recht gut übereinstimmend

Goode Homolosine (F. P.)

Passt fast pixelgenau

Kavraiskiy V (F. P.)

Passt fast pixelgenau

Kavraiskiy VII (F. P.)

Pixelgenau

Larrivée (F. P.)

Passt recht gut

McBryde-Thomas Flat-Polar Sine (No. 2, F. P.)

Keine Originalrechnung vorhanden. (Visuell ähnlich dem Sine No.1)

Mercator-Sanson (Sinusoidal) (F. P.)

Passt pixelgenau

Miller Cylindrical No. 1 (F. P.)

Passt sehr gut.

Mollweide (F. P.)

Passt fast pixelgenau

Nell-Hammer (F. P.)

Passt fast pixelgenau

Putnins P1 (F. P.)

Passt fast pixelgenau

Putnins P4 (F. P.)

Passt fast pixelgenau

Putnins P'4 (F. P.)

Passt fast pixelgenau

Putnins P'5 (F. P.)

Passt pixelgenau

(Adams) Quartic Authalic (F. P.)

Passt pixelgenau

Robinson-Projektion (F. P.)

Passt (natürlich) pixelgenau.

Allerdings gibt es bei Breite 40° unerklärlicherweise einen ganz kleinen Versatz, den ich nicht aufklären konnte. Ich kann nicht ausschließen, dass es an meiner Implementation liegt.

Van der Grinten I (F. P.)

Passt gut, bis auf in Polnähe

Die Unstetigkeiten in Polnähe fallen, da das Netz oft nur in zentralen Lagen genutzt wird, praktisch wenig ins Gewicht. Erinnert sei hier auch an die ebenfalls nur zentral gerechneten Wagnerschen van der Grinten-Adaptionen Wagner Y3 und Wagner Y4.

Wagner II (F. P.)

Passt pixelgenau

Wagner III (F. P.)

Passt pixelgenau

Wagner VI (F. P.)

Pixelgenau übereinstimmend

Wagner VII (F. P.)

Passt recht gut

Werenskiold I (F. P.)

Passt fast pixelgenau

Winkel I (F. P.)

Pixelgenau übereinstimmend

Winkel II (F. P.)

Einigermaßen übereinstimmend

Der berühmte Winkel Tripel (F. P.)

Einigermaßen übereinstimmend.

Das Bild entspricht dem gelegentlich in der Literatur anzutreffenden „schmalen“ Winkel Tripel. Mein eigener Winkel Tripel (der auch dem Klett-Perthes-Winkel-Tripel entspricht) läuft etwas breiter.


Alle Netze wurden Original und mit dem Flex Projector gerechnet; Maßstab 1:800.000, Auflösung 254 dpi. 1 Pixel am Äquator entspricht etwa 80 km.

Es bedeuten:


Zum Verständnis der RTA-Implementation des Flexprojektors

Mastercode, Recordercode, Fixcode

Der Algorithmus des Flex Projector wurde in 3 verschiedenen Arten in RTA implementiert. Der Mastercode kann beliebige Koeffizienten rechnen, die jeweils über die Datei flexi.dat (s. u.) importiert werden. Im Mastercode können also beliebige Flexprojektionen gerechnet werden. — Der Recordercode gleicht dem Mastercode, zeichnet aber zusätzlich die importierten Flexprojektor-Koeffizienten als RTA-Befehlssequenzen auf. — Unter Fixcode werden Implementationen verstanden, bei denen die Koeffizienten nicht importiert werden, sondern als Konstanten unveränderlich im Code stehen. Fixcodeprogramme sind also Flexprojektionsprogramme, bei denen ein bestimmter Entwurf „fest verdrahtet“ ist. Mit einem Fixcodeprogramm kann man immer nur eine einzige Flexprojektion rechnen.

Die Übernahme der Koeffizienten über die Datei flexi.dat („Flex Projector Interface“)

Die Übernahme der Koeffizienten des Flex Projector in die Mastercode- oder Recordercode-Assemblerprogramme erfolgt, indem man die Projektion aus dem Flexprojektor heraus per File/Save as unter festen Dateinamen flexi.dat im dann aktuellen Verzeichnis von RTA bzw. Vimage abspeichert. Diese Interfacedatei flexi.dat wird automatisch vom Mastercode bzw. vom Recordercode eingelesen.

Einige Beispiele für die flexi.dat-Dateien:

Interfacedatei Flexprojection A4 (In flexi.dat umnennen)
Interfacedatei Flexprojection Natural Earth (In flexi.dat umnennen)
Interfacedatei Flexprojection Aïtoff (In flexi.dat umnennen)
Interfacedatei Flexprojection Quadratische Plattkarte (In flexi.dat umnennen)
Interfacedatei Flexprojection Mercator-Sanson (Sinusoidal) (In flexi.dat umnennen)
Interfacedatei Flexprojection Mollweide (In flexi.dat umnennen)
Interfacedatei Flexprojection Wagner VII (In flexi.dat umnennen)
Interfacedatei Flexprojection Winkel Tripel (In flexi.dat umnennen)

Die flexi.dat-Dateien sind immer 86 Zeilen lang. Die Zahlenwerte werden über die Zeilennummer zugeordnet. Die Dateistruktur entstammt dem Flex Projector, Ausgabe 0.101 beta. Wenn die Datei flexi.dat nicht gefunden wird, werden alle Koeffizienten auf Null gesetzt, was in der Regel ein leeres Blatt ergibt.

Ich bedanke mich bei Bernhard Jenny für seine Unterstützung beim Entwurf dieser Schnittstelle.


Wie wird interpoliert?

Newton oder Splines

Eine durch Stützstellen vorgegebene Funktion ist zwar an den Stützstellen eindeutig gegeben. Da es aber verschiedene Verfahren gibt, mit denen zwischen den Stützstellen interpoliert werden kann, ist der Verlauf zwischen den Stützstellen nicht ganz eindeitig. Wie groß sind die möglichen Unterschiede? Hierfür wurde der Recordercode außer in seiner Standardvariante in 2 sog. X-Versionen implementiert. Die X-Newtonversion rechnet den gleichen Algorithmus, wie die Standardversion (nur etwas langsamer), nämlich mit Newtonschen aufsteigenden Differenzen 2. Ordnung. Die X-Splineversion rechnen hingegen mit kubischen Splines.

Im Ergebnis konnte festgestellt werden, dass das Interpolationsverfahren praktisch keinen Einfluss auf die Kartengeometrie hat (sofern man nicht ausgerechnet linear interpoliert). Die Unterschiede bewegen sich gewöhnlich im Subpixelbereich.


Hier die Assemblerprogramme der Netze:

Mastercode und Recordercode

Mit diesen Programmen lassen sich beliebige Flexprojektionen herstellen

Flexprojector (Mastercode) (Direkttransformationprogramm)
Flexprojector (Recordercode) (Direkttransformationprogramm)
Flexprojector (Recordercode), X-Newtonversion (Direkttransformationprogramm)
Flexprojector (Recordercode), X-Splineversion (Direkttransformationprogramm)

Fixcodes der neu entwickelten Flex Projections

A4 Projection (Direkttransformationprogramm)
Natural Earth Projection (Direkttransformationprogramm)

Fixcodes der Approximationen bekannter Kartennetzentwürfe

Aïtoff (Flex Projection) (Direkttransformationprogramm)
Boggs Eumorphic (Flex Projection) (Direkttransformationprogramm)
Cylindrical Equal-area (Flächentreuer Zylinderentwurf) (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Cylindrical Equidistant (Abstandstreuer Zylinderentwurf oder quadratische Plattkarte) (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Denoyer (Semi Elliptical) (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Eckert-Greiffendorf (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Eckert I (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Eckert III (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Eckert IV (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Eckert V (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Fahey (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Foucaut (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Foucaut Sinusoidal mit n = 0,5 (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Gall Stereographic (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Ginsburg VIII (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Goode Homolosine (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Kavraiskiy V (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Kavraiskiy VII (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Larrivèe (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
McBryde-Thomas Flat-Polar Sine (No. 2, F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Mercator-Sanson (Sinusoidal) (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Miller Cylindrical (No. 1, F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Mollweide (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Nell-Hammer (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Putnins P1 (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Putnins P4 (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Putnins P'4 (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Putnins P'5 (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
(Adams) Quartic Authalic (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Robinson-Projektion (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Van der Grinten I (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Wagner II (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Wagner III (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Wagner VI (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Wagner VII (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Werenskiold I (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Winkel I (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Winkel II (F. P.) (Direkttransformationprogramm)
Winkel Tripel (F. P.) (Direkttransformationprogramm)

Ich bedanke mich herzlich bei Bernhard Jenny für das zur Vefügung gestellte Material.

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