Kartenprojektionen - Wagners Entwurf VIII oder 20c

Karlheinz Wagners Weiterentwicklung des Hammerschen Entwurfes mit Pollinie und vorgeschriebener Flächenverzerrung halte ich für einen der schönsten und verzerrungsärmsten Entwürfe, die es für Weltkartennetze überhaupt gibt.

Seit mindestens Snyder hat es sich eingebürgert, statt der Wagnerschen Originalbenennung „Entwurf Nr. 20c“ die Bezeichnung Wagner VIII zu nutzen.

Wagner VIII in Großformat (200 kByte)


In die Berechnung des Wagner VIII fließen folgende 5 Parameter ein:

  1. Die geographische Breite eines Parallelkreises (Pollinienbreite), dessen Länge die Länge der Pollinie bestimmt (Standardwert 65°).
  2. Eine geographische Außenlänge, auf welche die Datumsgrenze transformiert wird (Standardwert 60°).
  3. Die geographische Breite eines Parallelkreises, bis zu dem die Flächenverzerrung kontrolliert wird. Dies ist ein „methodischer Parameter“, der stets auf 60° eingestellt wird. Da er mit dem folgenden Parameter verbunden ist, ist er redundant. Wir folgen mit seiner Angabe aber dem Original.
  4. Eine Flächenverzerrung, welche dort erreicht wird. Alle Breiten darunter haben geringere Flächenverzerrungen. Wagner setzt hier 20 % an.
  5. Schließlich kann das Längenverhältnis von Äquator zu Mittelmeridian vorgegeben werden, Standardwert ist 2 oder 200 %.

Wir kürzen das Ganze als Konfiguration „65°-60°-60°-20%-200%“ ab. Wir folgen gern Tobias Jungs Vorschlag, die Netzentwurfsnummer VII voranzustellen. Der Wagner VIII ist also somit der Wagner VII-65-60-60-20-200.

Der „originale“ Wagner VII ist nun übrigens der Wagner VII-65-60-60-0-200“ und auch der Hammersche Entwurf lässt sich (als „Wagner VII-90-90-60-0-200“) in diesem System einklassifizieren (siehe hierzu Jungs Seite https://www.kartenprojektionen.de/make-my-wagner/index.php).

Indem man nun „die Konfiguration“ ändert, lässt sich der Wagner nun in interessanter Art modifizieren.

Die Außenlänge bestimmt den Öffnungswinkel der Pollinie. Eine Vergrößerung auf 110° zieht die „Apfelsinenschale“ gleichsam „auf die Apfelsine auf“:

Keine ganz schlechte Lösung, oder? Australien wird etwas mehr verzerrt, in Alaska und Kamtschatka ist die Verzerrung ein wenig geringer. Eine Außenlänge von 160° ergibt:

Außenlänge 180° schließt die Kugel ...

... nein, eigentlich ist es erst ein Torus.

Um eine Kreisform (ohne Löcher) zu erhalten, ist noch die „Pollinienbreite“ von 65° auf 90° zu erhöhen:

Ein ungewohntes Netz? Das gerade nicht. Nur ein verzerrter querachsiger flächentreuer Azimutalentwurf. Richtig: Das war der „Vater“ des Hammerschen Entwurfs. Hier das Original:

Querachsiger flächentreuer Azimutalentwurf.


Aufbauend auf diesen Versuchen habe ich in einem Aufsatz Variationen von Weltkartennetzen der Wagner-Hammer-Aïtoff-Entwurfsfamilie (Kartographische Nachrichten 1/2006, S. 8ff.) vier Varianten des Wagner VII/VIII veröffenticht.

Wagner VIII Variante 1

(Konfiguration mit den 5 Parametern: 65-84-60-25-200)

Zunächst ein Versuch, der den Zweiten Cantersschen 8-Koeffizienten Low-Error-Entwurf (den „klassischen Canters“, „C8-2“ oder „W14“) zum Vorbild hat ...

[Böhm KN 1/2006, S. 13, Abschnitt 5.1, Abb. 8]


Wagner VIII Variante 2

(Konfiguration mit den 5 Parametern: 75-108-60-0-200)

Eine kürzere und rundere Pollinie mindert die Schiefschnittigkeit, ergibt geringere Verzerrungen in den „Weltkartenecken“ und ist mit ihren scheibenartigen Polen auch anschaulicher ...

Das Netz ist flächentreu, also ein Wagner VII-Derivat ...

[Böhm KN 1/2006, S. 13, Abschnitt 5.2, Abb. 9]


Wagner VIII Variante 3 „Batwing“

(Konfiguration mit den 5 Parametern: 57-105-60-20-200)

Auch wenn die Aussenform gewöhnungsbedürftig ist - das Netz hat aussergewöhnlich gute Verzerrungseigenschaften, sowohl insgesamt als auch in den Aussenbereichen.

Man achte z. B. auf Alaska und Kamtschatka:

In keinem der weit verbreiteten Erdkartennetze unserer Atlanten werden diese Gebiete mit derartig hoher Formentreue wiedergegeben.

[Böhm KN 1/2006, S. 13, Abschnitt 5.3, Abb. 10]


Wagner VIII Variante 4

(Konfiguration mit den 5 Parametern: 60-132-60-0-200)

Schließlich kann ein Netz gewonnen werden, dass zunächt zwar noch avantgardistischer anmutet, ...

... wenn man aber nur den zentralen Ausschnitt nutzt, kann man vorzüglich große Erdausschnitte darstellen, wie z. B. Eurasien.

[Böhm KN 1/2006, S. 13, Abschnitt 6, Abb. 11, 12]


Canters Wagner Optimierungen

Der Brüsseler Kartographieprofessor Frank Canters ist offenbar auch ein ganz großer Wagner-Fan und hat ebenfalls verschiedene Wagner-Variationen veröffentlicht. (Canters: Small-scale Map Projection Design, London: Taylor 2002)

Er geht methodisch etwas anders heran und stellt Optimierungen der Netze Wagners vor. Letztendlich lassen sich aber Canters und meine Wagner-Modifikationen exakt ineinander überführen.

Hier meine Implementationen der Cantersschen Wagner-Optimierungen VII und VIII:

Canters Wagner VII-Optimisation hat die Konfiguration 53.4560-125.5860-60-0-212.35:

Somit entspricht Variante 4 mit Konfiguration 60-132-60-20-200 fast Canters Wagner VII-Optimisation.

Canters Wagner VIII-Optimisation hat die Konfiguration 55.4366-118.8540-60-20-196.54:

Somit entspricht Variante 3 „Batwing“ mit Konfiguration 57-105-60-20-200 fast Canters Wagner VIII-Optimisation.


Hier die Assemblerprogramme mit denen die Versuche gerechnet wurden:

Wagner VIII Experimentalimplementation
Wagner VIII Variante 1
Wagner VIII Variante 2
Wagner VIII Variante 3
Wagner VIII Variante 4

Für die Eurasienkarte drehe man vor der Projektion die Erdkugel in eine schiefe Lage: Sphärische Kugeltransformation.
Hier die Parameter phiP, lambdaP und lambda0 mit etwa -45, 90 und 180 belegen.

Zum Seitenanfang