Auf dem Harzer Hexensteig auf den Brocken II

Reisebilder aus dem Nationalpark Harz

    Siehe auch:
    Etwas Trauriges (Die Baggerliste)

Die letzte Etappe auf den Brocken gibt Gelegenheit für eine Nationalpark-Milieustudie.

Am Brockenbett biegt der wunderschöne naturbelassene Glashüttenweg auf die Brockenstraße ein.

Natürlich offenbart dieses Bild sofort einen Verlust an Wanderqualität, der aber nicht sofort kritisch gesehen werden sollte.

Denn es sind auch spürbar mehr Wanderer und Ausflügler zu sehen und zweifelsohne kann ein Wanderziel von der Attraktivität des Brockens auch schon mal eine Asphaltschneise und einen Liefer-Lkw (im Hintergrund) legitimieren.

Aber was ist das?

Zunächst ein Verbotsschild.

Der aufmerksame Betrachter bemerkt hinter diesem Verbotsschild aber einen Grünstreifen, der zweifelsohne einmal ein Weg gewesen war.

Hier wird ein Widerspruch erkennbar: Einerseits eine überlaufene Asphaltpiste mit nur geringer Wander-Attraktivität, anderseits ein phantastischer Weg, der aber aufgegeben worden ist.

Wir wissen: Wir befinden uns in einem Nationalpark und hier herrscht Entflechtung von Natur und Tourismus. Damit verbunden ist eine Diametral-Entgegenstellung von bedrohter schützenswerter guter Natur und bedrohenden naturzerstörenden schlechten Touristen.

Verunreinigung, Beunruhigung, Verlärmung, Trittschäden durch den die Natur erlebenden Wandergast erscheinen einleuchtend, aber nicht völlig schlüssig. Denn es ist ja nicht die Natur und es sind nicht die Touristen, sondern es ist unsere Natur und es sind wir Touristen.

Das Verbot des wunderschönen Waldweges und die Nötigung auf die hässliche Asphaltstraße machen das Herz beklommen. Ich sehe eine Metapher vor mir: Eine cholerische Gouvernante ihre Zöglinge "Pfoten weg da von der Blume! Spielt mit dem Müllkasten." ankeifend. Der Wanderer ist als dämonischer Zerstörer der Natur ebensowenig tauglich, wie der unartige Zögling einer Knaben-Besserungsanstalt zur Erklärung der Kriminalitätsrate. Wenn wir dann in einer wunderschönen Abendstimmung nicht widerstehen können und nahe einer Heidelbeerlichtung am Brockenbett unser Schwarzzelt aufbauen - ein Feuer machen und ein paar Pilze braten: Das ist natürlich in einer Nationalpark-Kernzone ganz ganz böse und tierisch verboten. Wohl ein Vergehen, in der Schwere ähnlich der des Tuns von Lausebengeln, die den Stacheldrahtzaun ihres Kindergefängnisses überklettern, um ein wenig auf Klingelpartie zu gehen.

Kriminalrat Dr. Prügelpeitsch hat ermittelt, dass signifikant viele Straftäterkarrieren in Kinderheimen begannen. Dann war wohl die Gouvernante zu milde? Oder haben vielleicht Vater und Mutter gefehlt?

Aber auch der Kinderheim-Direktor ist gar nicht so. Manchmal, wenn es vor Weihnachten etwas Geld von der Heilsarmee gibt, kauft er sogar richtig teures Spielzeug:

Hier wird ein aufgeständerter Holz-Brückenweg aus schön rechtwinklig gesägten Kanthölzern quer durch einen Wald gebaut, durch den man eigentlich ganz normal durchlaufen kann.

Ein Auto am Straßenrand. Ein Dieselaggregat erzeugt den Strom für die Handkreissägen. Ein Bauzaun sorgt für Arbeitssicherheit nach der EU-Arbeitsstättenverordnung. Der Kraftstoffbehälter für den Kettensägensprit trägt das GS-Logo. Genehmigungsplanung nach HOAI, Ausschreibung nach VOB. Holz-Feuchtgehalt nach DIN. Koordinaten im WGS84. Abrechnung im DATEV-Kontenrahmen.

Und all diese Reliquiare von Naturferne, Technokratie und Künstlichkeit mitten in der Kernzone des Nationalparkes. Sie haben einzig und allein einen Zweck:

Zu verhindern, dass eines Menschen blanker Fuss ein Stück unserer Mutter Erde berührt.

Vater und Mutter lassen sich nicht ersetzen.

Wenn wir es erst verlernt haben, unsere Mutter Erde zu achten, so, wie es der tapfere Asmun noch gewohnt war, dann ist das einfach nur - sehr sehr schlimm.

Dann ist aber auch der teuere Urwaldpfad-Bastelbaukasten zum Fenster hinausgeworfenes Steuergeld.


Am 14.05.2008 erreichte mich hierzu eine Mail von Michael Klinger aus Ilsenburg. Zitat: „Wo jetzt der ca. 300.000 € teure Holzpfad ist, stand einst unsere mit viel Herzblut gepflegte Skihütte.“ Kommentar überflüssig.

Das ist nun genau die richtige Überleitung für den Auftritt des Brockenfuchses.

Der dürfte gewiss quer in der Kernzone rumlaufen. Aber warum soll sich das kluge Tier das antun?

Oben, beim Brockenwirt gibt es besseres Futter.

Die Kassiererin in der Selbstbedienung hat ein großes Herz für die Kinder. Sie greift in die Abfalltonne, wo die vielen nicht gegessenen Bockwürste rumliegen. Und schmeißt eine auf den Hof.

Der Brockenfuchs ist schon ganz zutraulich geworden und kommt ganz nahe ran. Für die Kinder drinnen hinter den Glasscheiben ist das eine große Freude. Denn ihr schönstes Erlebnis im Nationalpark Harz war: Dass sie einmal mit eigenen Augen einen richtigen Fuchs gesehen haben.


Der Brocken ist ein wunderbarer Berg. Heine und Andersen und Rosenlöcher haben ihn beschrieben. Gauß hat von hier aus das große Dreieck Brocken – Kahler Asten – Inselsberg ausnivelliert. Der Berg ernährt die Harzquerbahn, die Nationalparkverwaltung und den Brockenwirt. Der Gipfel selbst ist etwas verbaut und oft neblig. Das macht aber nichts. Auf den Brocken muss man einfach einmal in seinem Leben hinauf gewandert sein. Als wir dort oben waren, war es auch einer dieser typischen Nebeltage.

Was der Mensch dort oben zu suchen hat?

Eine solche Frage kann nur stellen, wer noch nie den Chor „Hebe deine Augen auf zu den Bergen, von welchen dir Hilfe kommt“ aus dem Elias von Felix Mendelssohn-Bartholdy gehört hat. Den wollte ich schon immermal singen.

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