Wege in der Wildnis
Wege in der Wildnis

Bußbergweg

Wandern zum Forstort Zwei Sägen. Ein Wandervorschlag der anderen Art

Weg:            Bußbergweg
Startpunkt:     Zeughaus
Länge:          3,5 km
Länge Wildnis:  1,4 km
Dauer:          2 1/2 Stunden

Wildnis ist eine Riesenmode. Wildnis gilt als Glücksbringer, als Märchenwald, als Hort von Artenvielfalt und Biodiversität. Doch wissen wir wirklich, was Wildnis ist? Am Kleinen Winterberg hat die Nationalparkverwaltung einen „Weg zur Wildnis“ eingerichtet. Der ist gar nicht einmal schlecht gemacht. Aber eins bitte nicht denken: Dass man „Wildnis“ kennenlernen könnte, indem man da mal ein bisschen auf ein paar Bretterstegen herumspaziert.

Dabei ist es ganz einfach, Wildnis kennenzulernen. Einfach nur reingehen. Fast unbemerkt ist der ganze Thorwald „Wildnis“ geworden. Weite Gebiete davon sind Nicht-Kernzone. Da dürfen zweifelsfrei alle Wege bewandert werden. Doch was ist in den letzten Jahren aus den Wegen geworden? Das Borkenkäfermikado hat ihnen ganz schlimm zugesetzt. Doch Wege müssen bewandert werden, damit sie nicht untergehen. Gehen wir also hinaus, um die Wege zu bewandern und sie so zu erhalten und zugleich Wildnis kennenzulernen. Auch wenn wir uns dabei auf ein „Wandern der anderen Art“ gefasst machen müssen.

Los gehts.

Haben wir alles? Gartenschere, Arbeitshandschuhe, zwei Sägen? Im Windfinder nachgeguckt, dass das Risiko halbwegs überschaubar bleibt, d. h. Windstärke max. 3 (schwache Brise).

Zugang ab Zeughaus, den Saupsdorfer Weg (blauer Strich) in Richtung Thorwaldbrücke bis zur ersten Spitzkehre. Dann hier hinein abbiegen – der Wegweiser rechts im Bild ist die letzte Insigne von Nationalpark, Kultur und Zivilisation:

Bussbergweg
Hier hinein

Ein Blick in die Karte (Großer Zschand 1:10000):

Bussbergweg
Karte

Hier geht der Weg hinein

Der Bußbergweg (Buchbergweg) ist der rot hinterlegte Weg. Der wird uns von der Spitzkehre zum Forstort „Zwei Sägen“ führen. Es folgt der blaugrüne „Brombeerweg.“ Schließlich bringt uns der Große Hochhübelweg wieder zurück in den Großen Zschand.

Los gehts. Nach ca. 100 Metern gibt es links eine Felsinschrift:

Bussbergweg
Tägerstein

„Erb. // dd // H.OF. // T // 1870“ – doch mit irgendeinem Erbhof hat das nichts zu tun. Es bedeutet vielmehr „Erbaut durch den Herrn Oberförster Eduard Hermann Täger 1870“. Täger war hier von 1870 bis 1873 Revierleiter und hat diesen Weg 1870 errichten lassen. Ja, das waren noch Zeiten, als die Förster hier noch Wege gebaut haben.

Nach weiteren 100 Metern verliert sich der Hauptweg gerade berganführend, es ist dies eine Zufahrt zu einer Jagdwiese. Wir bleiben auf dem nach rechts abzweigenden Weg, der nun immer weiter in einem kleinen Tal entlangläuft. Zunächst „noch nicht weiter wild“:

Bussbergweg
Kaum wild

Hier bitte schnell durch, denn es ist 2/3-Wald, d. h. zwei Drittel der Bäume stehen noch, können aber schnell einmal umbrechen. In sowas niemals bei Wind reingehen. Bald schon sieht es so aus:

Bussbergweg
Viertelwild

Langsam wird es Zeit für erste zaghafte Sägeschnitte:

Bussbergweg
Halbwild

Allmählich folgen die Hindernisse immer dichter:

Bussbergweg
Dreiviertelwild

Jetzt sind wir voll drin. Da durch? Na klar, was denn sonst:

Bussbergweg
Ganz wild

So geht es nun Schlag auf Schlag. Kaum hast du ein Hindernis überwunden, kommt sofort das nächste:

Bussbergweg
Längslieger, Originalzustand

Congratulations, ein Längslieger. Stämme, die längs in den Weg hineingefallen sind, sind besonders tückisch. So ein niederträchtiger Längslieger macht schnell einmal 20 bis 30 Wegmeter unwegsam. Da hilft nur eins: Säge auspacken, ran an die Arbeit:

Bussbergweg
Längslieger, in Bearbeitung

Längslieger ausigeln ist mühsam und beschwerlich. Doch wenn der Weg gebahnt ist, ist das ein schöner Erfolg:

Bussbergweg
Längslieger, passierbar

Die eine Methode, Bäume zu überwinden ist das Übersteigen der Stämme, die andere das unten Durchkriechen, sog. „Tunnel“:

Bussbergweg
Tunnel I

Unten empfiehlt es sich, Hervorspießer mit Glattschnitten wegzusägen.

Bussbergweg
Tunnel II

Die Thorwaldeichen

In der Mitte des Bußbergweges stehen acht mächtige Eichen – die Thorwaldeichen. Die Fichten hat alle der Borkenkäfer geholt, doch die Eichen haben ihm widerstanden. Hier ist das Herz des großen Thorwaldes. Ich raste unter diesen großen Bäumen und denke an Eduard Hermann Täger. Es könnte sein, dass er diese Bäume gepflanzt hat.

Bussbergweg
Die acht Thorwaldeichen

Es vergeht Stunde um Stunde. Man rechne mit keiner höheren Wandergeschwindigkeit als 0,2 km/h. Fachausdruck: Entschleunigung.

Bussbergweg
Schöne Wildnis

Noch manch Längslieger will „ausgeigelt“, manch ein „Tunnelbaum“ glattgeschnitten werden. Querlieger sind bald Routine, auch Fichtendickicht ist vom Weg runterzuschneiden. Dabei auch gleich immer einen Meter mehr wegsägen, das Zeug wächst wie wild. Weitere Tätigkeiten sind das Ausjäten frischer Fichtensaat und das Abschneiden der Brombeerranken. Brombeerranken können sehr hinderlich werden.

Den Forstort Zwei Sägen finden

Wildnis heißt nicht nur, sich einen Weg zu bahnen, nicht weniger wichtig ist es, die Orientierung zu behalten. Ein kleines Lehrstück ist der Forstort „Zwei Sägen“. Eigentlich ist unser Weg hier zu Ende, der nun folgende „Brombeerweg“ ist nicht mehr das eigentliche Thema (sondern gehört schon zum Rückweg). Bitte genau hinsehen. Hier keinesfalls gerade (links im Bild) weitergehen, man muss vielmehr nach rechts (rechts im Bild) abbiegen:

Forstort 2 Sägen
Hier rechts rein

Die Stelle muss man aber erst einmal finden. Wenn du hier gerade weitergehst, kommst du in Fischers Loch. Das ist nicht nur eine Sackgasse, die mitten in den Thorwalder Wänden endet, es ist auch Kernzone und wir wollen ja möglichst gesetzestreu wandern. Früher stand hier ein Schild „Fischers Loch“ (später ein Schild „Kernzone“) und es war dies eine unübersehbare Wegkreuzung. Jetzt ist nicht mehr viel davon übrig geblieben.

Nachtrag 10.10.2023: Damit man es besser findet, an „Zwei Sägen“ zwei Pfeile in die Stämme reingesägt. Ein erster Pfeil führt (in unserer Wanderrichtung linksweisend, Weg „1884“) am Backofen vorbei zur Thorwaldquelle. Der zweiter Pfeil zeigt ein paar Meter weiter rechtsweisend auf den Brombeerweg. Dort entlang.

Hier noch zwei Bilder vom Forstort Zwei Sägen:

Forstort 2 Sägen
2 Sägen oben rechts

Forstort 2 Sägen
2 Sägen bildmittig

Alles klar? Dann also nach rechts abbiegen.

Der „Brombeerweg“, auf den wir nun kommen, ist auch nicht viel leichter, als der bisherige Weg, es ist immer noch „Wildnis“. Auch hier muss man pausenlos Bäume überklettern, sowie zweimal durch „Tunnel“ hindurchkriechen. Wie lange wird dieser Weg noch begehbar sein? Ein kleiner Trost ist, dass hier der Wald schon ein 1/3-Wald ist, d. h. es steht nur noch ein Drittel der Bäume. Da kann nicht mehr so viel umfallen. Doch die Brombeeren sind sehr lästig.

Brombeerweg
Brombeerweg I

Dazu haben wir Handschuhe und Gartenschere mit (und im September einen Sammeleimer).

Brombeerweg
Brombeerweg II

Endlich wieder Hauptwanderweg

Nach wenigen hundert Metern ist es dann endgültig geschafft. An der kleinen Wiese oben am Hochhübelweg ist die Wildnis zu Ende. Ein Wegweiser. Der Nationalpark und damit unsere Kultur hat mich wieder. Von links läuft der Reitsteig (grüner Strich) ein. Eigentlich nudele ich ja solche markierten „Haupt-Touristenwege“ nicht so gerne ab. Doch diesmal ist es ein Riesen-Glücksgefühl, aus dem Gestrüpp endlich wieder raus zu sein.

Hochhübelweg
Hochhübelwiese

Den mit dem grünen Strich markierten Großen Hochhübelweg geht es hinunter in den Großen Zschand:

Hochhübelweg
Großer Hochhübelweg

Eigentlich ist der Große Hochhübelweg ein Hauptwanderweg (einer der wenigen offiziellen Wege, die der Nationalpark hier noch gelassen hat) – aber auch schon ganz schön zugewachsen.

Und dann das Zeughaus – ein Traum. Unsere Wanderung geht zu Ende.

Zeughaus
Zeughaus

„16. September 1874: Gegen Mittag langte Ihre Maj. die Königin auf dem Zeughause an und nahm mit Sr. Maj. dem König und der hohen Jagdgesellschaft das Frühstück im Walde ein.“ (Sorbersche Chronik 1876)

Die haben noch gewusst, wo es in der Welt am schönsten ist. Das Zeughaus hat (Stand 2023) in der Saison von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Montag/Dienstag Ruhetag. Ich empfehle die Zeughaus-Riesenbockwurst und Elsässer Flammkuchen. Nach einem Bier war mir nach dem Durchkämpfen der Wildnis eher nicht mehr zu Mute, eher nach einer doppelten Himbeerbrause.


 

Sonst noch

Länge und Dauer. Der Bußbergweg ist lediglich 1,1 Kilometer lang. Plus 0,3 Kilometer Brombeerweg ergibt das gerade einmal 1,4 Kilometer Wildnisweg. Dauer Erstwanderung 5 Stunden. Zeit und Geschwindigkeit bekommen in der Wildnis einen ganz anderen Maßstab. Da der Weg nun ein wenig hergerichtet ist, geben wir die Wanderzeit ab Zeughaus mit insgesamt 2,5 Stunden an, Tendenz fallend.

Hat so ein Freisägen überhaupt Sinn? Möglicherweise nicht. Jetzt gerade (2023) kommt man auf dem Bußbergweg einigermaßen durch, aber schon in wenigen Jahren kann er schon wieder völlig verbrochen sein. Wege erhalten ihre Lebenskraft durch die Begangenheit von uns Menschen. Ein Weg, der nicht begangen wird, wird seine Lebenskraft verlieren und sterben. Wenn Wege sterben, ist das immer eine schlimme Sache.

Doch ein Gegenbeispiel ist der seit 1978 offiziell gesperrte Thorwaldwand-Gratweg. Trotz Sperrung hat sich dieser Weg eine gewisse Begangenheit bewahren können, die ihn bis heute – also über fast 50 Jahre – stets als gleichbleibend kleinen Pfad wunderbar erhalten hat.

Ja und warum zwei Sägen? Man braucht immer zwei Sägen, denn eine Säge kann auch einmal kaputt gehen. Und dann bist du ziemlich hilflos, mitten in so einem Igelbaum-Gestrüpp.

Was ist eigentlich Wildnis? Ach, warum benötigen wir da immer erst eine Defintion? Wenn du da einmal durch bist, wird dir einigermaßen gleichgültig sein, ob du da durch einen Wald, einen Forst, durch ein Gestrüpp, eine heruntergekommene Holzplantage, Wildnis, ein Borkenkäfermikado, einen Pionierwald oder ein Naturschutzexperiment durch bist.

Aber es gibt doch da dieses Wildnis-Gefühl? Richtig, und davon ist ein gut Teil Angst. Das völlige Nichtvorhandensein menschlicher Kultur macht uns Angst. Wildnis mag auch schon einmal schön sein, aber für so etwas hast du da draußen eher keinen Blick. Eins ist Wildnis nämlich nicht: romantisch. Wildnis ist nicht nur Märchenwald, Glücksgefühl und Naturparadies. Wildnis bedeutet auch Unwegsamkeit, Ausgestoßensein, Menschenfeindlichkeit, Kulturferne und Lebensgefahr.

Die Baumfall-Gefahr. Auch bei Wildstille können Bäume fallen. Aufenthalt in der Wildnis heißt Inkaufnahme von Lebensgefahr. Das ist ja aber beim Vorsteigen auch nicht anders. Mehr dazu auf dieser Seite, insbesondere in den Unterabschnitten Gefahrenhinweise im Borkenkäferwald und Stoffwiederholung und Prüfungsfragen

Bußbergweg oder Buchbergweg? Es hieß einmal, dass es mit Buße nichts zu tun haben könnte, auch gäbe es gar keinen „Bußberg“. Viel wahrscheinlicher wäre, dass der buchenbestandene Hochhübel einmal Buchberg genannt worden wäre. Also habe ich den Weg in meiner Karte mit „Buchbergweg“ beschriftet. Der Name hat sich aber dann doch nicht eingebürgert.

Und was ist nun mit dem Forstort Zwei Sägen? Die zwei Sägen habe ich eigentlich nur an den Ast gehängt, um die Fotos später identifizieren zu können. So ist die Wegkreuzung zu ihrem Namen gekommen. Es ist wichtig, den Orten in der Wildnis einen Namen zu geben, denn nur wenn die Orte einen Namen haben, kann man sich orientieren.


 

15.08.2023 Initial. Noch Tippfehler möglich.
16.08.2023 Von Uli Augst erhalte ich eine Forstkarte von 1914, aus der hervorgeht, dass der Bußbergweg urspünglich bis zur Hochhübelwiese gegangen ist. Der „Brombeerweg“ ist also Teil des ursprünglichen Bußbergweges. Erst 1884 wurde ab „Zwei Sägen“ der (nach einer Felsinschrift benannte, s. Denksteinsignatur in der Karte) „Weg 1884“ in Richtung Backofen vorangetrieben, weshalb man den Brombeerweg heute eher als Teil dieses Weges (man könnte ihn auch „Kernzonengrenzweg“ nennen) auffasst.
10.10.2023 Nachtrag Brombeerweg freigeschnitten, Pfeile am Forstort „Zwei Sägen“.

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