Den Thorwald durchkämpfen

Wildnis: Wissen wir wirklich, was da auf uns zukommt?

Ein Tag im Borkenkäferwald

Wildnis mag in unserer urbanen Welt ja eine recht schöne Verheißung sein. Doch wissen wir eigentlich wirklich, was Wildnis ist? Gehen wir also mal hinein in den großen Borkenkäferwald östlich der Thorwalder Wände und sehen wir uns an, was Wildnis bedeuten kann.

Wildnis
Passt in jeden Outdoormagazin-Wildnisartikel: Ein wunderschöner „Weg in der Wildnis“. Doch Wildnis ist so etwas gerade nicht. Das ist ein alter, zu Zeiten des Geheimen Forstrates Eduard Hermann Täger (1845–1918) angelegter Weg. Hundert Jahre und die schöne Bemoosung hat ihm die romantische Anmutung eines „Hänsel-und-Gretel-Weges“ verliehen. Den geht es hinauf, in den Borkenkäferwald.

 

Die drei Arten des Borkenkäferwaldes

Der gewöhnliche Wald, in dem noch alle Bäume stehen, ist der 3/3-Wald. Östlich der Thorwalder Wände sieht es dann so aus:

Wildnis  2/3-Wald
Es ist dies der sogenannte 2/3-Wald, d. h. etwa ein Drittel der Bäume ist gefallen, zwei Drittel stehen noch. Weil noch nicht so viel Holz unten liegt, sind die Wege „im 2/3“ noch leidlich passierbar, typischerweise, da wenig Bewanderung, grasbestanden. Es gibt aber eine andere Gefahr. Bitte einmal auf die schrägen Bäume rechts im Bild achten: Die heißen „Hänger“. Ein Hänger ist ein Baum, der nicht mehr steht, sondern, der Name sagt es, hängt. Der Stamm des Hängers ist durchgebrochen, womit er, tragwerksplanerisch formuliert, keine Kräfte mehr aufnehmen kann. Die Lastableitung erfolgt über die Nachbarbäume. Die ja dafür aber auch nicht ausgelegt sind. Es ist dies ein sog. „labiles Gleichgewicht“. Sehr gefährlich. Hänger können jederzeit völlig ohne Vorwarung herunterbrechen. Hänger sind typisch für den 2/3-Wald. In einen 2/3-Wald sollte man also besser nicht hineingehen.

Wildnis  1/3-Wald
Ein kleines Stück weiter ist es dann schon ein 1/3-Wald. Es steht also nur noch etwa ein Drittel der Bäume. Man erkennt den „1/3“ an den vielen abgebrochenen Baumstümpfen, links im Mittelgrund. Der Rest liegt unten und bildet das typische Borkenkäfermikado, rechts im Bild erkennbar. 1/3-Wald ist kaum weniger gefährlich als der Hängerwald. Die Holzlast über deinem Kopf ist zwar geringer geworden, die Stämme sind aber besonders morsch. Viel Glück im 1/3-Wald.

Wildnis  0/3-Wald
Wenn dann alles runtergebrochen ist, haben wir den 0/3-Wald. Wenn nichts mehr steht, kann auch nichts mehr fallen. Unsere Wanderung beginnt.

 

Rein in die Wildnis

Dafür muss man sich zunächst die übliche Art der „Wander-Denke“ abgewöhnen. Vergiss die Norm-Wandergeschwindigkeit 5 km/h. Sei für wenige hundert Meter Weggewinn pro Stunde dankbar. Auch hat man, anders als beim „gewöhnlichen Wandern“ kaum Nerven sich an der „schönen Landschaft“ zu erfreuen oder sich instruktiv mit dem Waldbild zu beschäftigen. Eigentlich gibt es nur einen Gedanken: Das ist dein Weg. Da musst du durch. Das heißt, ausschließlich Konzentration auf die Hindernisse. Einfach aus pleasure die „wunderschöne Natur genießen“ – das fällt aus. Für sowas hatten unsere Altvorderen im Miriquidi auch keinen Nerv. Was dich jetzt und die nächsten Stunden interessieren wird, sind ausschließlich die unmittelbar vor dir liegenden fünf oder zehn Meter. Und die sehen so aus:

Wildnis
Okay, hier kommt man noch einigermaßen durch, das ist also noch nicht weiter wild. Erst die Vorstufe von Wildnis. Bitte etwas wilder ...

Wildnis
Ist das jetzt wild genug? Wir haben hier sog. „Querlieger“ auf unserem Weg. Querlieger kann man durch oben Überklettern oder unten Hindurchtauchen überwinden.

Wildnis
Oder so etwas. Wo ist unser Weg? Na ganz einfach, links unter dem Stamm, der an den hochspießenden Ästen zu erkennen ist. Was wie ein „schönes Urwaldbild“ aus der „Landliebe“ aussieht, war früher einmal unser Weg gewesen. Auch wenn du ihn nicht mehr sehen kannst, gerade hast du den Weg noch unter deinen Füßen gespürt. Aber hier ist nun einer von diesen gefürchteten „Längsliegern“ längs in den Weg hineingefallen. Volltreffer. Mit einem Mal sind 20 bis 30 Meter Weglänge völlig verhauen. Dazu meterhohes Adlerfarn, das den Weg überwachsen hat. Du musst nun irgendwie den Längslieger überwinden. Längslieger sind schlecht sägbar und können äußerst anstrengend sein.

Wildnis
Vorn Querlieger, hinter Schieflieger. Schieflieger haben, anders als Hänger, zwei Auflagerpunkte und gelten als weniger gefährlich, man kann unter ihnen hindurchgehen. Doch ist das wirklich ein Weg?

Wildnis
Gewiss doch, wir sind richtig. Der Weg wurde 1884 errichtet.

Wildnis
Hier eine Kombination aus Schräg- und Längslieger, sog. Kreuzlieger. Beim Hinderniswandern ist Innovativkraft gefragt. Vielleicht ist es gar keine so schlechte Idee einige Meter auf dem weitgehend astlosen Längslieger entlangzubalancieren. Aber Vorsicht, wir sind in der Wildnis, ein kleiner Sturz kann dich in ungeahnte Gefahr bringen. Schon bei einer harmlosen Prellung wird der Heimweg schwierig. Bergwacht kommt hier eher nicht hin. Womit du dir auch die Frage nach Handyempfang schenken kannst.

Wildnis heißt, dass „menschliche Zivilisation“ nicht mehr stattfindet. Damit sind auch so Fragen, wie „Kernzone oder Nicht-Kernzone“ oder „ist das im Nationalpark eigentlich erlaubt?“ plötzlich gegenstandslos. Wildnis ist eine völlig andere Welt. „Was, wenn da nun ein Ranger kommt?“ Na bestenfalls wäre das ein riesiger Glücksfall und deine einzige Rettung, wenn du verletzt in dem Bruchholz rumkrauchst.

Doch die Chancen dafür stehen schlecht. Mit dem Verlassen der Zivilisation verschwinden sämtliche menschlichen Kulturkonstitute. Wenn du in dem Bruchholz nicht mehr laufen kannst, musst du damit irgendwie selber klarkommen, allein oder mit Gottes Hilfe. Der Ranger kann hier übrigens schon deswegen nicht vorbeikommen, weil das schonmal wegen der Berufsgenossenschaft überhaupt nicht geht. Die Ranger pflegen sich in der Nationalpark-Infostelle Zeughaus aufzuhalten. Einmal am Tag machen sie die Hickelhöhlenrunde oder gehen mal hinter zur Webergrotte.

Im übrigen befinden wir uns außerhalb der Kernzone. In der Landschaft ist es zwar Wildnis aber hier ist immer noch Internet und da haben nun mal keine rechtswidrigen Verlockungen reingestellt zu werden.

Exkurs Schieflieger/Schräglieger: Bei „schief“ und „schräg“ ist unklar, ob das horizontal- oder vertikal gemeint ist. Der Schieflieger liegt vertikal schräg. Er gleicht in gewisser Hinsicht dem Hänger, liegt aber auf dem Boden (typischerweise am Hang) auf, was ihm viel von der Gefährlichkeit des Hängers nimmt. Insbesondere ist eine Eigenschaft des „typischen Schiefliegers“ dass man leicht unter ihn hindurchgehen kann. Der Schräglieger liegt schräg über einem Weg, ist also ein Mittelding zwischen Längs- und Querlieger.

 

Fichtendickicht

Wildnis
Der Hindernischarakter des Borkenkäfermikados ist bloß die halbe Wildnis-Miete. Durch bloße Unpassierbarkeit kann man sich immer noch mit Geduld und Zähigkeit hindurchkämpfen. Zusätzlich böse wird es, wenn die Orientierung verlorengeht. Solange die Bäume noch klitzeklein sind, scheinen sie harmlos zu sein. Schnell wachsen sie aber hoch. In nur wenigen Jahren wird hier alles nur noch ein fürchterliches Fichtendickicht sein.

Wildnis
Das ist dein Weg. Womit das Hinderniswandern eine zusätzliche Dimension bekommt. Unten drunter ist nicht etwa „ebener“ Waldboden, auf dem du dich etwa „in Ruhe“ durchsägen könntest. Da drunter liegen kreuz und quer die Mikadostämme. Die bemerkst du oft erst, wenn du dich unmittelbar davor befindest. Du solltest dann auch darauf achten, dass diese fest liegen und sich nicht bewegen. Sog. „Roller“ oder „Wipper“ bedeuten höchste Gefahr. Viel Glück beim da Durchstolpern bei Sichtweite Null.

Doch Übung macht den Meister. Bald wirst du dir Hindernis-Durchkämpfungs-Techniken erarbeitet haben. Mit Routine geht alles viel besser.

Wildnis
Und schon wieder so ein niederträchtiger Längslieger.

Wildnis
Kaum da durch, geht es weiter. Hindernis auf Hindernis. Vorn ein relativ leicht passierbarer Querlieger, hinten der nächste „Igelbaum“. Nicht übersteigbar, nicht umgehbar, nicht durchtauchbar. Das heißt sägen. Was zur Werkzeugfrage überleitet.

 

Das Werkzeug

Wildnis
Mit so kleinen Handfitscheln (Mossy Oak, 19,99 €, Fiskars Plus Klappsäge, 35,84 €) sollte man gar nicht erst anfangen. Brauchbarer sind die gewöhnlichen Baumarkt-Bügelsägen (Original schwedische Bügelsäge 530 mm, 13,90 €, LUX Bügelsäge Holz 530 mm Comfort, 17,99 €), gleich einen Schwung Ersatzsägeblätter (2,99 €/Stück) mitkaufen, das Sägeblatt muss immer scharf sein. 53 cm sind eine ideale Blattlänge, das passt auch gerade noch in den Rucksack (dabei das Sägeblatt bissl einwickeln). Auch diese japanischen Sägen, die auf Zug sägen, sind nicht schlecht. Die haben aber den Nachteil, dass das Blatt leicht kaputt geht, irgendwann stumpf ist und dann ist manchmal kein Blattwechsel möglich. Auch sollte man auch immer zwei Sägen mitführen. Eine Säge allein kann sich schnell einmal verklemmen oder kaputt gehen. Mitten in so einem Astigel-Dickicht kann das eine böse Panne sein (ich spreche aus Erfahrung).

Die Gartenschere sieht zunächst wie eine Fehlbesetzung aus dem Schrebergarten aus. Was aber täuscht. Für das Durchkämpfen von Brombeergestrüpp gibt es kein besseres Werkzeug. Schwere Astscheren wären zwar besser, wir sind aber outdoor, da auch die Gewichtsfrage beachten. Für die Brombeeren sind auch die Handschuhe da. Die kleine Schaufel habe ich als Zugabe mit ins Bild genommen. Deren Hauptzweck ist das Freiräumen versiegter oder ungefasster Quellen zur Trinkwassergewinnung (dazu noch ein Trinktopf, das ist aber heute nicht unser Thema).

 

Die Sägeschnitte

Wildnis-gesägt-glatt
Astigel kann man recht gut mit der Säge entschärfen. Variante 1, der glatte Sägeschnitt auf dem Stamm, kurz Glattschnitt. Die Äste ganz dicht am Stamm gut übersteigbar freisägen, so dass auch Nachfolgende den Stamm überklettern können, ohne hängen zu bleiben. Das Nachteil beim Glattschnitt ist, dass du „im Ast“ sägst, dort ist das Holz besonders hart.

Wildnis-gesägt-griffig
Variante 2, der Griffschnitt. Äste als Griffe stehen zu lassen. Da hat man was zum festhalten.

Wildnis
Variante 3, das Heraussägen ganzer Stämme, sei hier nur am Rand gestreift, denn damit begeben wir uns in den Stoffkomplex motormanuelles Sägen, was hier nicht unser Thema ist.

Einen Stamm händisch herauszusägen ist bis etwa 40 cm Durchmesser mit Fleiß und Ausdauer noch möglich. Die Altvorderen haben das ja auch nicht anders gemacht. Wenn du es geschafft hast, ist das ein schönes Erfolgserlebnis. Bedenke aber: Auf nur wenigen Dutzend Wegmetern können da schon eine paar Bäume zusammenkommen. Pro Baum brauchst du zwei Schnitte. Man überschätzt sich da schnell. Ein gewisses Wegstück in einer Art „Arbeitseinsatz“ händisch freizusägen, kann durchaus mal ein schönes Gruppenevent für eine Wandertruppe sein. Ansonsten stellen 10 Durchmesser eine Grenze dar, oberhalb der das händische Sägen nicht mehr wirtschaftlich ist. Dann hat der Baum eben mal gewonnen.

 

Langsam reicht es

Stunde um Stunde vergeht. Die Mittagshitze zehrt an den Kräften. Es ist immer dasselbe Bild.

Wildnis
Der Weg nimmt kein Ende. Es geht einfach nicht voran. Wann werde ich hier durch sein? Doch gerade, als ich glaube, kräftemäßig am Ende zu sein, erreiche ich ein wunderbar freigeräumtes Wegstück.

Wildnis
Eindeutig Kettensäge, womit klar ist, wessen Handschrift das ist. Selten habe ich mich über die Nationalparkverwaltung so gefreut, die hier meine letzte Rettung ist. So geht das also. Na, die haben eben Ahnung. Sowas schaffst du mit deiner Handsäge, Wanderer, niemals.

Wildnis
Endlich komme ich wieder vorwärts. Bald mündet der Weg in einen anderen Weg ein. Auch noch kein ausgesprochener Hauptweg, aber gut machbar. Der führt zurück auf den Saupsdorfer Weg. Und dann endlich: Zeughaus.

Nach einem Bier ist mir nach so einem Tag nicht mehr zu Mute. Statt dessen gibt es eine doppelte Fassbrause, also einen Liter. Die kredenzt mir Silke stilecht in einem Maßkrug. Dazu die berühmte Zeughaus-Riesenbockwurst und dann noch ein Flammkuchen.


 

Schlussbemerkung

Stimmt alles nicht. Denn eines ist das alles selbstverständlich niemals: Wildnis. Was da hochwächst ist auch keine „potentielle natürliche Vegetation“, kein „nachhaltiger klimaresilienter Wald“ und auch kein „schöner Mosaikwald mit wünschenswerten Mischwaldarten zur Beförderung der Artenvielfalt“. All das sind nur wohlklingende Modeschlagwörter, reines Wunschdenken.

Was wir hier wirklich haben, ist das Ergebnis eines Naturschutz-Experimentes, eine Fichtenmonokultur-Folgevegetation nach plötzlichem Pflegewegfall. Es heißt zwar immer wieder „Naturschutz“, „Prozessschutz“, „Artenschutz“, aber ist das auch richtig? Die „Prozesse“ die hier ablaufen, wurden über Jahrhunderte vom Menschen bestimmt und können im Ursprungssinn kaum als „natürlich“ gelten.

Was da hochwächst, sind überwiegend wieder die akut als „nicht standortgerecht“ gebashten Fichten. Der Mensch hat hier 200 Jahre lang Fichten-Biomasse eingebracht. Sowas pflegt sich nicht in Luft aufzulösen. Was würdest du hier machen, wenn du eine Fichte wärst? Dich kräftig aussäen. Sofern das mit dem „nicht standortgerecht“ stimmt, holt dich in 100 Jahren erneut der Borkenkäfer oder die Nonne. Aber auch da wirst du dich vorher erneut wieder kräftig ausgesät haben.

Hinzu kommt ein gewisser Anteil Buchen, die als Überhälter stehen geblieben sind und sich langsam ausbreiten. Die haben das Potential, in einem sog. Klimaxstadium eine Buchen-Monokultur auszuprägen. Aber das wird, wenn es denn so kommen sollte, dauern. Mindestens 300, möglicherweise 1000 Jahre. Was freilich auch nicht so artenreich werden wird. In der Finsternis unter der Buche fühlt sich nur eine einzige Art wohl: Das Buschwindröschen. Das Buschwindröschen blüht im zeitigen Frühjahr, wenn die Buchen noch kein Laub tragen.

Wie ist es mit Esche, Eiche, Tanne, den heiligen Bäumen der alten Germanen? Vielleicht wünschenswert, aber sowas haben fleißige Buschweibeln hier letztmalig 1889 in größerer Stückzahl reingegärtnert (anlässlich 800 Jahre Wettin). „Ursprüngliche“ Bäume anpflanzen, entspräche durchaus der Naturschutz-Denkart des 20. Jahrhunderts (Otto Feucht, Dietrich Graf). Kollidiert aber heutzutage mit dem Prozesschutz („Natur Natur sein lassen“).

Zwischendurch werden wir einen sog. „Pionierwald“ haben. Der sich freilich ebenfalls nicht gerade durch Urwaldartigkeit, „seltene“, „vom Aussterben bedrohte“, irgendwie „bewahrenswerte“ Arten auszeichnet, wie wir es in so „Unberührte-Natur-in-Alaska-Filmen“ vorgeführt bekommen. Birke, Pappel, Eberesche, Brennnessel und die in ihrer Wege-Sperrkraft nicht zu unterschätzende Brombeere, sog. „Anflug“. Die alten Förster haben das immer „Unkraut“ genannt, weil das Zeug einfach überall aufgeht. Dazu rosarot blühendes Indisches Springkraut und Sachalin-Knöterich. Dort Kernzonenschilder aufstellen, ist Narretei (besser vielleicht, mal eine ordentliche Sense mitnehmen).

Wildnis? Am besten, wir fragen da in 300 Jahren mal wieder nach.


 

Gefahrenhinweise im Borkenkäferwald

Wildnis ist gefährlich. Es können jederzeit Bäume umstürzen. Diese können Sie erschlagen. Informieren Sie sich vor Ihrer Wanderung über den Wind und gehen Sie nur bei Windstille oder ganz schwachem Wind in die Wildnis. Siehe auch hier. Es wird nicht ausbleiben, dass in Ihrem Umkreis Bäume fallen. Wenn ein Baum in Ihrer Nähe fällt, werden Sie Todesangst verspüren. Zu Recht. Grundsätzlich niemals in 2/3-Wald hineingehen, wenn es nicht anders geht, so schnell wie möglich hindurchgehen. Gehen Sie niemals unter Hängern hindurch. Achten Sie bei liegenden Stämmen auf Roller und Wipper. Gehen Sie auch niemals bei vorhergesagtem Gewitter oder Schneelast in den Borkenkäferwald. Sobald der zweite Baum in Ihrem Umkreis von 200 Metern gefallen ist, müssen Sie den Wald so schnell wie möglich verlassen. Sobald es windig wird, müssen Sie den Wald so schnell wie möglich verlassen. Achten Sie darauf, dass Sie sich nicht verlaufen. In der Wildnis stellt das Verlaufen eine ungleich schwerere Gefahr dar, als bei gewöhnlichem Wandern. Ebenfalls stellen Verletzungen eine ungleich schwerere Gefahr dar, als bei gewöhnlichem Wandern. Achten Sie also darauf, dass Sie nicht in Situationen geraten in denen Sie sich verletzen können. Gehen Sie zu zweit, seien Sie aufmerksam, riskieren Sie nichts, überschreiten Sie nicht den point of no return, gehen Sie im Zweifelsfall zurück, nehmen Sie Wasser mit und verlassen Sie sich nicht auf ihr Handy. Im Borkenkäferwald ist die allgemeine Waldbrandgefahr grundsätzlich hoch, es gibt nur wenige Rettungswege und die wenigen Wege, die es noch gibt, werden zunehmend unpassierbar. Auch ohne Waldbrandgefahrenstufe ist es unbedingte Pflicht, auf Feuer jeder Art zu verzichten. Achten Sie auf Rauchgeruch. Wasser gibt es an wenigen Quellen, die jedoch zunehmend versiegen. Vergewissern Sie sich über Wasserstellen. Heben Sie Wasserstellen wieder aus, reinigen Sie sie und pflegen sie sie.

Dessenungeachtet: Gehen Sie in die Wildnis. Wer die Natur sucht und sich zugleich verbietet, in die Natur zu gehen, ist ein armer Tropf. Wildnis ist gefährlich, das ist normal und unvermeidlich. Ein geringer Prozentsatz der Menschen stirbt durch Unglücksfälle in der Wildnis. Das ist schon immer so. Lebensgefahr gehört im Leben dazu.


 

Stoffwiederholung und Prüfungsfragen

  1. Erläutern Sie die Begriffe Hänger, Querlieger, Längslieger, Schräglieger, Schieflieger, Kreuzlieger, Roller, Wipper, Astigel, Igelbaum.
  2. Woran erkennen Sie 3/3-Wald, 2/3-Wald, 1/3-Wald, 0/3-Wald?
  3. Mit welchen Techniken können Sie Hindernisse in der Wildnis überwinden?
  4. Warum sind Hänger so gefährlich?
  5. Was ist im Borkenkäferwald hinsichtlich Wind zu beachten? Näheres zum Wind hier.
  6. Welche Ausrüstung wird empfohlen?
  7. Welche Sägeschnitte sind an Hindernissen üblich?
  8. Welche Stammdurchmesser gelten mit einer Handsäge als a) noch sägbar, b) wirtschaftlich sägbar.
  9. Stellen Sie sich vor, wie es wäre, wenn Sie sich in der Wildnis verletzen. Was können Sie tun, um Verletzungen zu vermeiden?
  10. Vergleichen Sie die Erfahrungen, die Sie selbst in der Wildnis gemacht haben mit den Wildnisvorstellungen, die über TV-Sendungen, die Zeitschrift „Landliebe“, in Kinderbüchern, von der Nationalparkverwaltung oder vom Bundesamt für Naturschutz verbreitet werden. Was stellen Sie fest?


 

Maileingang vom Totholzknuddler

Ja, und was ist eigentlich mit unseren Kollegen im Wald, denen mit den vier Pfoten oder Hufen? So hinterfragt der Totholzknuddler meinen ausschließlich aus Wandererperspektive schweifenden Blick. Ja, was ist mit den Tieren?

„Die Schlüchte, auf denen sie früher z. B. den Thorwalder Kamm gequert haben, sind auch für sie unpassierbar geworden. Und die wenigen Stellen, die noch frei sind (z. B. direkter Zugang Zschandstraße – Klingermassiv) entwickeln sich zu Wildautobahnen. Diese sind dann sogar von weitem sichtbar (z. B. von der Gipfelaussicht Bergfreundschaftsstein) und führen zu Hangerosion (z. B. ein Stück rechte Hangseite im Queenengrund kurz nach dem Herbertfels auf Grund des NPV-Verhaus entlang des Weges). Hier entsteht gerade ein neues „Wegenetz“ im verborgenen. Es verbindet die einzelnen Futterstellen (Bucheckern), Wildschwein-/ Hirschsuhlen und Ebenen im Gelände. (Übrigens hat die NPV genau in so einen den „Weg zur Wildnis“ hineingebaut, so das kein Reh dort mehr queren kann.) Wir haben mehrfach festgestellt, das Wege die von Wanderern freigesägt wurden, sofort auch von unseren vierfüßigen Freunden angenommen und genutzt werden. Gutes Beispiel ist hier das Sommersloch oder der Zugang zum Schreckensteiner Turm. Du sägst also nicht nur für die Wanderer ...“

Na klar, und ich habe mich letztens auf dem Bußbergweg noch über die Rehspuren gewundert, die eine Woche zuvor, als ich die Längslieger dort abgeigelt habe, noch nicht da gewesen waren.


 

Ich bedanke mich bei Peter Schölzel, Bischofswerda, Mathias Roitzsch, Sebnitz und Marco Angermann, Rosenthal für die Anregung zu dieser Seite.

16.06.2023 Initial
15.07.2023 Brief von Dr. Peter Schölzel, Bischofswerda
18.07.2023 Release
18.07.2023 Herzliche Grüße an Monika Finger, Ludwigsfelde

Die Links unterliegen nicht dem Änderungsdienst und können schnell einmal zu Deadlinks werden.
Die Bilder dieser Seite sind nicht sämtlich völlig ortsauthentisch, sie wurden im Sinne der Instuktivität aus mehreren Wanderungen zusammengestellt. Etliche Bilder sind auf dem sog. „Weg 1884“ aufgenommen, der von der Thorwaldquelle zum Bußbergweg (Forstort Zwei Sägen) führt. Von dort sind es noch 300 Meter auf dem „Brombeerweg“ zum Großen Hochhübelweg.

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